24.07.2014 12:20 Alter: 10 yrs

Wichtige Rolle im Schulprogramm: Geschichtsbewusstsein


„Exkursion von Schülern der Ernst-Ludwig-Schule zur Gedenkstätte Buchenwald“
Im Schulprogramm der Ernst-Ludwig-Schule spielt Geschichtsbewusstsein und Erziehung zur Demokratie eine große Rolle. Im pädagogischen Konzept der Ernst-Ludwig-Schule (ELS) nimmt Geschichtsbewusstsein und das Engagement gegen Rechtsextremismus schon seit langem einen hohen Stellenwert ein. Aus diesem Grund besuchten alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 am 8.7.2014 die Gedenkstätte Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar. In das 1937 errichtete Konzentrationslager deportierte die SS Männer, Jugendliche und Kinder, die keinen Platz in der nationalsozialistischen Ideologie hatten. Etwa 56 000 Menschen kamen in Buchenwald und seinen Außenlagern, wie dem berüchtigten Mittelbau-Dora, ums Leben.
Die Exkursion nach Buchenwald ist bereits seit mehreren Jahren ein fester Bestandteil im Schulprogramm der ELS. „Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben des Geschichtsunterrichts“, so die Fachleiterin für Geschichte an der Ernst-Ludwig-Schule, Britta Witzmann, „die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler für antidemokratische Prozesse zu schärfen“. Der traditionelle Unterricht nähere sich diesem Ziel eher auf dem kognitiv-analytischen Weg. Ebenso wichtig sei aber auch ein emotionaler Zugang. Aus diesem Grund beziehen die Pädagogen auch außerschulische Lernorte in ihren Unterricht mit ein. Ein Unterrichtsgang zur Gedenkstätte Buchenwald biete die Chance, dieser affektiv-moralischen Dimension von Geschichte gerecht zu werden. Die von einer Stiftung getragene Gedenkstätte verfüge über ein hervorragendes Konzept zur Jugendarbeit und ein breites Fundament pädagogischer Praxis. „Dank der finanziellen Unterstützung durch den Wetteraukreis gehört die Fahrt bereits seit mehreren Jahren zum festen Programm an der ELS“, betont Witzmann. Die Entscheidungsträger des Wetteraukreises setzten damit ein deutliches Signal, dass sie der Jugendbildungsarbeit einen hohen Stellenwert beimessen.
Ein Film mit Stimmen von Zeitzeugen, die das Lager überlebt hatten, führte die Schülerinnen und Schüler in die Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers ein.  Die insgesamt fünf Klassen der 9. Jahrgangsstufe wurden von jeweils einem Referenten über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers geführt.  Obwohl Hochsommer, war an diesem Vormittag der Ettersberg in Nebel gehüllt und die gespenstische Atmosphäre erschien  den Taten, die an diesem Ort ausgeführt worden waren, angemessen. Während der Führung über das Gelände erhielten die Jugendlichen einen Einblick in die Lagerarchitektur und die Funktionen der einzelnen Gebäude.  Dabei wurde immer wieder die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten deutlich. Ein Überrest wie das Eingangstor des Lagers mit der Inschrift „Jedem das Seine“, ist ein Beispiel dafür. Der Spruch suggeriert, jeder der hier sei, habe dieses Schicksal verdient – der Grund für dieses Schicksal konnte sein, zur Bevölkerungsgruppe der Sinti und Roma zu gehören, Jude, Homosexueller, Wohnungsloser oder ein besonders gläubiger Mensch zu sein.  Die Willkür und Amoralität des nationalsozialistischen Systems vor Ort zu erfahren, war besonders eindrücklich für die Jugendlichen.
Dennoch wird in der Gedenkstätte auch deutlich, dass sich Vergangenheit nicht authentisch rekonstruieren lässt. Die Atmosphäre des Terrors, den Hunger, die Angst der Menschen, die durch Zwangsarbeit, die Haftbedingungen, durch medizinische Versuche, Folter und Massentötungen mit einer Genickschussanlage starben, kann selbst der empathiefähige Besucher allenfalls erahnen. Aufmerksam lasen viele Schüler die in den Arrestzellen angebrachten Tafeln mit den vielfach erschütternden Lebensläufen der hier zu Tode gekommenen Häftlinge. Einer von ihnen war der evangelische Pfarrer Paul Schneider, der 1938/39 zu Tode gefoltert wurde und dessen quälende Prozedur des Sterbens im ganzen Lager bekannt wurde. Die pädagogischen Fachkräfte machten sehr deutlich, dass ein solches Lager nicht allein von Menschen betrieben werden konnte, die mit Freude die Aufgabe der Henker- und Folterknechte wahrnahmen: Da gab es die oft blutjungen Soldaten, die sich von einer Ausbildung bei der SS eine Karriere versprachen, es gab die Korrupten, die sich an den Lagerinsassen vor allem bereichern wollten, und auch jene, die von der Nationalsozialistischen Ideologie so überzeugt waren, dass sie aufrichtig glaubten, das Rechte zu tun.
So ergibt sich für Schüler und Lehrkräfte immer wieder die Frage von Schuld und Verantwortung und natürlich die Frage, wie wir gehandelt hätten. Durch die Exkursion nach Buchenwald wird die Problematik und die Bedeutung dieser Fragestellungen für die Schülerinnen und Schülern anschaulich und  befördert gleichzeitig die Erkenntnis, welches Privileg das Leben in einem demokratischen Rechtsstaat bedeutet.


Andrea Jung-Mack