16.03.2019 18:56 Alter: 5 yrs
Kategorie: Deutsch, fb1

Lars Ruppel präsentiert »Poesiebegeisterungsshow«


Schüler für Poesie begeistern? Geht das? Die Ernst-Ludwig-Schule in Bad Nauheim hatte jedenfalls zu einer »Poesiebegeisterungsshow« eingeladen. Die Neunt- und Zehntklässler hatten die Mehrzweckhalle am Solgraben gut gefüllt und warteten nun auf das, was da kommen sollte. Die Mission, Mittelstufenschüler für das eingangs erwähnte Genre zu begeistern, hatte Lars Ruppel übernommen. Wer könnte das besser als der 34-jährige Slampoet aus Gambach? Mittlerweile gehört er zu den erfolgreichsten Poetry-Slammern des Landes, der nicht nur zahlreiche Bühnenauftritte absolviert, sondern auch Workshops zum Thema Poetry Slam organisiert, der Bücher schreibt, Podcasts produziert und für sein Projekt Weckworte, eine Arbeit mit Demenzkranken, bekannt geworden ist. Mit der Ernst-Ludwig-Schule verbindet ihn schon eine besondere Tradition, denn beim ersten Poetry-Slam vor 10 Jahren war er der Gast. Möglich gemacht hatten dies der »Verein der Freunde der ELS« und das Organisationsteam Dorothee Hildebrand, Eva Pfeiffer-Heidecke und Christian Liebchen.


Sein erstes Gedicht habe er im Alter von acht Jahren geschrieben und vor kurzem auf dem elterlichen Dachboden in Gambach gefunden. Es ging darin um die Steigerung von Adjektiven. Die Rechtschreibfehler, die er darin gefunden habe, seien übrigens keine. So etwas gebe es beim Dichten nicht, dies sei allenfalls kreativ. Die Schüler haben es interessiert zur Kenntnis genommen.
Er wolle Mut machen, die eingetretenen Sprachpfade zu verlassen, die Sprache als Spielzeug zu begreifen. Er erinnerte die Schüler daran, dass man den ersten Kontakt mit Poesie schon in den ersten Lebenswochen hat (Wiegenlieder der Eltern). Danach kamen in der Kindheit Abzähl- und Abklatschreime oder das Giftpilz-Spiel: »Eine Geschichte freestylen – das konnten wir damals alle einmal.«


Als weitere Belege für die Bedeutung des Reims nannte er Eselsbrücken (333 – bei Issos Keilerei, 753 – Rom schlüpft aus dem Ei), Bauernweisheiten, Einträge ins Poesiealbum oder Flüsterwitze im Dritten Reich. Der Spaß an Reimen ginge jedoch irgendwann verloren.
Der Poetry-Slam-Experte ermunterte die Schüler, sich einmal an einem Slam-Wettbewerb zu beteiligen. Er erklärte den Begriff als Gedichtewettkampf mit selbst geschriebenen Gedichten und erklärte die Regeln. Eine Jury aus dem Publikum bewertet die Vorträge, die nicht länger als fünf Minuten dauern dürften, selbst geschrieben sind und ohne Hilfsmittel vorgetragen werden müssten. Er selbst habe seinen ersten Vortrag vor 200 Zuschauern zum Thema Gebüsche gehalten, denn damals sei es seine Lieblingsbeschäftigung gewesen, mit seinen Kumpels in Gebüsche zu springen. Er sei damals noch mit blauem Irokesenschnitt und Schottenrock unterwegs gewesen.


Über Redensarten habe er eine ganze Reihe von Texten geschrieben, erklärte er den Schülern, denn bei Sprüchen wie »Mein lieber Herr Gesangsverein« oder »Nicht schlecht, Herr Specht« habe er sich gefragt, wer denn nur der Herr Gesangsverein eigentlich ist und wer Herr Specht ist. Dazu gibt es auch den Ausspruch »Holla die Waldfee!« Daraus sei bei ihm dann der Text »Holger die Waldfee« entstanden. Bei diesen Redensarten falle auch auf, dass diese manchmal sehr militärisch geprägt sei: Bombenstimmung, einen Anschlag auf jemanden vorhaben, es knallt.
Lars Ruppel ging auch auf den Klang von Wörtern ein. Mit den entsprechenden Techniken – der »Faust der Poesie« und dem »Griff zum Horizont« könne man jedem Alltagswort poetische Tiefe verleihen, scherzte er.


Poesie sei im Alltag anwendbar. Um diese Theorie zu beweisen, holte er sich eine Assistentin aus dem Publikum und demonstrierte Abwehrstrategien gegen die Ghettofaust.
Der Poetry-Slammer schloss sein kurzweiliges Programm mit einer Ein-Wort-Erzählkette, an der sich alle begeistert beteiligten und stellte sich anschließend den Fragen der Schüler, die wissen wollten, woher er seine Ideen nehme oder was man gegen Blackouts tun könne. Dichten sei anstrengend, meinte Lars Ruppel, aber geil.
Schüler für Poesie begeistern? Ja, das geht – Lars Ruppel hat es an der ELS einmal wieder bewiesen.

Frank Weber