Hedwig Rohde: Die Geschichte der Ernst-Ludwig-Schule

Konkurrenz belebt das Geschäft - hin und wieder auch in der Politik. Um sich vom benachbarten Friedberg nicht den Rang ablaufen zu lassen, beschloss die Bad Nauheimer Stadtverordnetenversammlung im Januar 1905 die Errichtung einer Höheren Bürgerschule, deren Kosten sie tragen wollte. Bereits wenige Wochen später stimmte dem die 2. Hessische Ständekammer zu, und schon am 1. Mai desselben Jahres eröffnete die Höhere Bürgerschule mit 102 Schülern ihre Pforten. Untergebracht war sie zunächst in den Räumen des Instituts Lorenz in der Lutherstraße 14.

    Zwei Jahre später fiel der weitere bedeutsame Beschluss des städtischen Parlaments zur Errichtung eines Neubaus, und zwar südlich des Alten Friedhofs, seitlich versetzt zur bereits fünf Jahre zuvor errichteten Stadtschule an der Wilhelmskirche. Die Einweihung des Neubaus wiederum zwei Jahre später, Anfang Januar 1909, beschrieb die Bad Nauheimer Zeitung mit geradezu euphorischen Worten; einen besonderen Auftrieb hatte der feierlichen Veranstaltung die gnädigst erteilte Erlaubnis des hessischen Großherzogs gegeben, dass die neue Schule seinen Namen tragen dürfe.

    Weil dieser Zeitungsbericht nicht nur ein interessantes historisches Dokument darstellt, sondern auch viel verrät von dem Stolz der gesamten Bürgerschaft auf diese neue Einrichtung, soll er hier ausführlicher zitiert werden: »Nun ist der stolze Bau, der weit in die gesegnete Wetterau hineinleuchtet, fertig, und wir durften heute seine Weihe vornehmen. Als wir uns heute Vormittag auf den Weg zur Schule machten, freuten wir uns über den herrlichen Anblick, der sich uns an der Mittelstraße bot. Ein großer prächtiger Tummelplatz für die Kinder der Schule und ein praktisch angelegter Schulgarten mit großem Wasserbassin in der Mitte. Die ganze Anlage präsentiert sich sehr freundlich und hat nebenbei den hochbedeutsamen Zweck, dem naturgeschichtlichen Unterricht zu dienen. Die Hauptfront der Schule steht etwas nahe an unseren alten Friedhof herangerückt; hierdurch geht ein Teil ihrer monumentalen Wirkung auf dieser Seite verloren, doch sind die Gründe, weshalb die Schule hier zu stehen kam, hinlänglich bekannt, und mussten wir einen kleinen Schönheitsfehler bei der Wahl des Platzes mit in Kauf nehmen.

    Das Haupttor ist mit sehr schönen Bildhauerarbeiten geschmückt und führt in ein breit auslaufendes Treppenhaus mit hellen und luftigen Korridoren. Unser Weg führt uns zunächst in die Turnhalle, die der Schule gleichzeitig als Aula dient und wo die Einweihungsfeier vor sich gehen soll. Es war eine stattliche Zahl von geladenen Gästen, die sich in dem geschmackvoll gestalteten Raum versammelten. … In hygienischer Beziehung sind sämtliche Wünsche und Beschlüsse, die mit Bezug auf Schulbauten auf dem großen Kongress der Ärzte und Naturforscher in Meran gefasst und geäußert wurden, befolgt. Hell und luftig sind sämtliche Räume. In jeder Klasse befindet sich: Ventilator, Heizungsanlage, Thermometer und Waschvorrichtung. An einzelnen Sälen sind vorhanden:

    Chemischer Lehrsaal und Laboratorium, botanische, zoologische und mineralische Sammlung, Lehrmittel- und Geographiezimmer, Lehrer- und Schülerbibliothek, praktisch und schön eingerichtetes Rektor- und Lehrerzimmer, Sing- und Zeichensaal, mit den neuesten Anlagen ausgestattet. Den Stolz der Schule bildet die physikalische Sammlung und der Physiksaal. Um diesen Besitz kann uns manche Schule beneiden. Was an Apparaten und Einrichtungsgegenständen für dieses Lehrfach notwendig, ist vorhanden und bieten diese beiden Räume eine Sehenswürdigkeit für sich. Für die Sicherheit unserer Kinder in Fällen von Gefahr ist in weitgehendster Weise gesorgt. Reichlich breite geräumige Treppen und mächtige Korridore sind vorhanden. Auf jedem Korridor befindet sich ein Hydrant mit Schlauchleitung, der bei Feuersgefahr augenblicklich genutzt werden kann. Ein Schmuckstück der Schule ist auch die praktisch angelegte Turnhalle. Bis auf die Schuldienerwohnung hat sich die Fürsorge der Bauleitung erstreckt und auch diese bequem und behaglich ausgestattet. … Indem wir für unsere Jugend ein so prächtiges Heim gebaut haben, hat die Stadt Bad Nauheim bewiesen, dass sie ihre Jugend liebt und dieser den Weg nach Aneignung einer Schulbildung, wie sie die vorwärtsstrebende Zeit fordert, ermöglicht.«

    Die Zeiten ändern sich, und siebzig Jahre später war die anfängliche Euphorie längst den Klagen über Raumnot, unzureichende Ausstattung und veraltete Anlagen gewichen. In den ersten Jahren nach dem Umzug ins neue Gebäude machte die Ernst- Ludwig-Schule jedoch gute Fortschritte, ihre Schülerzahlen stiegen. Noch wenige Monate vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, zum 1. April 1914, wurde die Höhere Bürgerschule umgewandelt zur Großherzoglichen Realschule in staatlicher Verwaltung. Und wenige Jahre nach dem Krieg, im Dezember 1921, genehmigte das Hessische Landesamt für das Bildungswesen den Ausbau zur Oberrealschule. Die Schule wuchs weiter, und schon bald reichte der Platz nicht mehr aus. Die Stadtverordneten hatten ein Einsehen. 1922 wurde auf einer Grundfläche von fast 300 Quadratmetern, dort, wo sich einige Jahre lang der eingangs erwähnte und anlässlich der Einweihungsfeier so sehr gelobte Schulgarten befunden hatte, ein zweigeschossiger Anbau errichtet.

    Am 11. März 1924 schlug an der Ernst-Ludwig-Schule eine historische Stunde: Sieben Abiturienten traten an zur ersten Reifeprüfung. Zu Ostern 1927 wurden die Lehr- und Stundenpläne eines Realreformgymnasiums an der Schule eingeführt. In den folgenden vier Jahren pflegte man einen jährlichen Klassenaustausch mit der Dürerschule in Dresden.

    Einen Bruch in ihrer Entwicklung erlebte die ELS wie so viele andere Einrichtungen auch im so genannten „Tausendjährigen Reich“. Einige Wochen nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, am 8. März 1938, bekam die Schule die mit der „neuen Zeit“ einhergehenden Veränderungen hautnah zu spüren: Eine SA-Abteilung hisste die Nazifahne, der seit 1927 amtierende Schulleiter Dr. Molz (ihm ist an anderer Stelle in dieser Festschrift eine ausführliche Würdigung aus der Feder eines seiner Nachfolger, des langjährigen Schulleiters Armin Häfner, gewidmet) wurde abgelöst. Zu Ostern 1938 wurde die ELS eine „Deutsche Oberschule für Jungen“ (mit einem allerdings 30-prozentigen Mädchenanteil). Während der gesamten Kriegszeit wurden immer wieder ältere Schüler, aber auch etliche Lehrer an die Front eingezogen, viele von ihnen starben im Krieg. Der Bedarf der Kriegsmaschinerie an menschlichem Nachschub führte zur Einführung des so genannten Notabiturs, einer vorgezogenen Reifeprüfung nach verkürzter Schulzeit.

    Ende 1944 war der geregelte Schulunterricht erst einmal weitgehend beendet; in den Schulsälen wurden Lazaretträume eingerichtet. Mit dem Einmarsch der Amerikaner Ende März 1945 änderte sich daran nicht viel. Sämtliche Schulen blieben beschlagnahmt und dienten teilweise als Massenunterkunft für Flüchtlinge sowie für Menschen, deren Wohnungen und Häuser von der US-Army beansprucht wurden. Erst im Herbst 1945 konnte die Schule wieder eröffnet werden (nun erneut mit Dr. Hermann Molz als Schulleiter), ein halbes Jahr später begann ein Sonderlehrgang, in dem ehemalige Kriegsteilnehmer auf den Schulabschluss vorbereitet werden sollten.

    Während der sechziger und siebziger Jahre stiegen die Schülerzahlen erneut stark an. In Elternversammlungen, Lehrerkonferenzen und Zeitungsberichten wurde häufig über die Schulraumnot und die großen Klassen geklagt. Verständlicherweise: Die Schule, die 1955 noch 423 Schülerinnen und Schüler beherbergt hatte, wurde 1980 von nicht weniger als 981 Kindern und Jugendlichen besucht. Schon 1962 hatte Schulleiter Alfred Makatsch mit Behörden Kontakt aufgenommen wegen der notwendigen Erweiterung des Gebäudes. Das Ergebnis war zwei Jahre später die Errichtung des ersten Schulpavillons auf dem Grundstück der Stadtschule an der Wilhelmskirche (dort, wo sich heute die 50-Meter-Laufbahn mit Sprunggrube befindet). Als 1968 ein nächtlicher Brand den Pavillon zerstörte, war dies tagelang Gesprächsstoff für die Schüler beider Schulen.

    1966 erneuerte Schulleiter Makatsch seine Bitte, der ELS mehr Unterrichtsräume zur Verfügung zu stellen. Sein Ziel war es, die erforderlichen zusätzlichen Räumlichkeiten durch Aufstockung der Turnhalle und des Anbaus (Biologiesaal) auf dem Gelände an der Mittelstraße/Alter Friedhof zu gewinnen. Das Raumprogramm enthielt bereits zahlreiche Fachräume und Einrichtungen (zum Teil sogar in ungefähr der gleichen Größe), wie sie später, im Neubau von 1986, verwirklicht wurden.

    Wenig später schien der Traum eines Neubaus in greifbare Nähe gerückt: Im Jahr 1968 genehmigte das Kultusministerium ein Raumprogramm für einen Neubau der ELS in der Nähe der Stadtschule am Solgraben; über die näheren Umstände sagen die Akten allerdings nichts aus. 22 Klassen- und Mehrzweckräume waren für das Gymnasium vorgesehen. Gleichzeitig aber plante der Magistrat der Stadt Bad Nauheim, die noch bis 1969 Schulträgerin war, den Bau einer Mittelpunktschule bei der Stadtschule am Solgraben, und zwar im Schulverbund gemeinsam mit den Gemeinden Nieder-Mörlen, Steinfurth, Oppershofen, Wisselsheim, Rödgen und Schwalheim. Als die Stadt im Juni 1969 damit den Antrag verband, in einem Schulzentrum Bad Nauheim eine „Gesamtschule in kooperativer Form“ unter Einbeziehung der ELS zu gründen, und daraufhin das Kultusministerium das Raumprogramm für eine zehnzügige (!) Gesamtschule billigte, war aus Sicht des Magistrats der im Juli 1968 erteilte Genehmigungsbescheid für einen Neubau der ELS gegenstandslos geworden. Zwar könne, so hieß es, „die Ernst-Ludwig-Schule (Gymnasium) vorübergehend in den zu erstellenden Gebäuden Aufnahme finden“, aber die Oberstufe des Gymnasiums (Sekundarstufe II) hing nun einige Zeit in der Luft, da „über die Studienstufe (11. bis 13. Schuljahr) allgemein noch keine Klarheit“ bestand. Diese Formulierung zum pädagogischen Konzept der Oberstufe irritierte viele Lehrerinnen und Lehrer der ELS ebenso wie die parallel betriebene Bildung einer reinen Oberstufenschule im benachbarten Friedberg.

    Auch in den folgenden Jahren blieb es spannend. Für 1970 weist die Chronik die Besichtigung der im Kurhaus Bad Nauheim ausgestellten Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs zum Bau einer Kaufmännischen Berufsschule (KBS) mit Studienstufe durch interessierte Lehrer aus. Im ELS-Kollegium wurden Stellungnahmen zu den Bereichen Naturwissenschaften und Kunsterziehung/Werken ausgearbeitet. 1971 besichtigten Teile der Lehrerschaft die Gesamtschule in Wolfhagen, um sich über Kooperationsmodelle zu informieren. Auf der Suche nach Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit anderen Schulen oder Schulformen schien das Gespräch wegweisend für das weitere Schicksal der ELS zu sein, das im November 1973 anberaumt war: Im Gebäude der ELS kam es zur Aussprache zwischen Schulleitung und Lehrern der KBS Bad Nauheim/Friedberg und der ELS über ein von der KBS vorgelegtes Raumprogramm (KBS mit Studienstufe). Auch die Leitung der Privatschule St. Lioba nahm auf Einladung der ELS an dieser Diskussion teil.

    Die für die nächste Zeit richtungweisende Weichenstellung für die Bemühungen der ELS erfolgte allerdings durch den von Schulleiterin Weiss für die ELS und ihren Kollegen Gambach für die KBS im Dezember 1973 unterzeichneten gemeinsamen Antrag auf Einrichtung eines Modellversuchs zur „Integration berufsvorbereitender und studienbezogener Bildungsgänge zur Entwicklung einer gemeinsamen Sekundarstufe II und zur Schaffung von neuen Schwerpunkten im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich und im kaufmännischen Berufsfeld“. Dadurch sollten mit der Abiturprüfung weiterhin die Allgemeine Hochschulreife, aber auch berufsbildende Qualifikationen, eventuell auch beides („Doppelqualifikationen“), erworben werden können.

    Mehrere Probleme, vor allem aber Geldmangel, führten dann dazu, dass die schon genehmigten hessischen Schulversuche im Schnittpunkt von beruflicher und gymnasialer Bildung ganz allgemein nicht so gut vorankamen wie erhofft. Im Fall von Bad Nauheim, das als Standort für eine dem Wirtschaftsgymnasium vergleichbare Schule im Bereich zwischen Frankfurt und Gießen in Frage gekommen wäre, standen der Genehmigung des Modellversuchs damals weitere große Hindernisse entgegen: Zum einen die räumliche Entfernung zwischen beiden Schulen, selbst nachdem die KBS 1976 ihren Neubau am Gradierwerk bezogen hatte. Zum anderen vollzog sich die Oberstufenarbeit am Ernst-Ludwig-Gymnasium bis 1976 noch in der Form der fachspezifischen Differenzierung (sprachlicher und naturwissenschaftlicher Zweig). Eine Offenheit gegenüber berufspraktischen Unterrichtseinheiten, wie es dem Wesen der Integration entsprochen hätte, wäre in der ELS nur bei vollständiger Verkursung gegeben gewesen; nach der Ordnung der neu gestalteten Oberstufe legte aber der erste Jahrgang seine Abiturprüfung erst 1979 ab. Deshalb kam es vorerst zwischen beiden Schulen nur zu einer lockeren Form der Kooperation, einem ständigen Lehreraustausch in bestimmten Fächern (EDV, Rechtskunde, Fremdsprachen, Politik). Die Kontakte nahmen in dem Maße zu, wie der ELS zwei Physiksäle samt Sammlungsräumen in der KBS zur Verfügung gestellt wurden und sich seit der gemeinsamen Nutzung der neuen Sporthalle am Solgraben und dem Bau des Pavillons am Solgraben Lehrer und Schüler beider Schulen näher kamen.

    Nachdem auch ein zweiter Antrag der ELS auf Erweiterung des Fächerangebots im Bereich von Wirtschaft/Verwaltung im Juli 1977 abgelehnt worden war, konzentrierte sich die Schulleitung wieder verstärkt darauf, die Raumnot am angestammten Komplex zwischen Mittel- und Karlstraße zu beheben. Ersten Gesprächen folgten längere Diskussionen, an denen sich auch die politischen Parteien durch Ausrichtung eigener Foren und Hearings rege beteiligten. Ein erstes Ergebnis war 1979 ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, mit dem Kreis Gespräche aufzunehmen und dabei zwei Positionen zu vertreten: der Raumnot der ELS sei abzuhelfen, und zwar am Standort alter Friedhof.

    Es war letztlich der damalige Schuldezernent Dr. Hermann Kühn, der die Idee, für das Gymnasium einen Neubau am Solgraben zu errichten, im März 1980 in der Badestadt salonfähig machte. Relativ zügig, bereits im Oktober desselben Jahres, fasste der Kreistag einen entsprechenden Beschluss. Dabei blieb das Kollegium der Schule durchaus zwiegespalten; ein Teil plädierte nachhaltig für ein Verbleiben am traditionellen Standort alter Friedhof, musste sich aber schließlich der Einsicht beugen, dass dort für An- oder Umbauten nirgendwo Platz war. Andererseits schien die Bebauung des Geländes am Solgraben, wie im Schulentwicklungsplan des Wetteraukreises postuliert, auf eine Schließung der Baulücke zwischen Stadtschule am Solgraben und KBS angelegt zu sein.

    Auch das weitere Verfahren ging zügig voran. Da auch die Stadtschule an der Wilhelmskirche sehr unter der räumlichen Enge litt, genehmigte der Hessische Kultusminister auf Antrag des Wetteraukreises schon im April 1981 den Neubau der ELS am Solgraben. Fünf Monate später stellten Schuldezernent Dr. Kühn und Architekt Gerhard Bremmer Schulleitung, Elternbeirat und Personalrat die Planung vor. Der erste Spatenstich wurde 1982 vorgenommen, zwei Jahre später Richtfest gefeiert.

    Vom Beschluss bis zum Einzug vergingen letztlich fünf Jahre. Für die Schule hat sich das Warten gelohnt, verfügt sie doch nun über eines der schönsten modernen Schulgebäude im gesamten Kreis. Das hatte seinen Preis: Ohne die Aufwendungen für Einrichtung und Ausstattung investierte der Wetteraukreis mehr als neun Millionen Euro in den Komplex, dessen Gestaltung ebenso ungewöhnlich wie anziehend ist: Aus dem dreigeschossigen Baukörper wachsen erdgeschossig vier quadratische Kuben, das Dach ist zeltartig ausgeformt. Die Kuben sind gestaffelt angeordnet und durch Gelenke, in denen sich die Treppen befinden, miteinander verzahnt. Die Schülerinnen und Schüler, so die Intention, sollen in ihrer Schule nicht nur lernen, sondern sich dort auch wohlfühlen. Dazu trägt sicher der Verzicht auf Fertigteile bei; Innen- und Außenwände wurden mit Klinkersteinen sorgfältig hochgemauert. „Einfach himmlisch“ fanden Lehrer und Schüler das Gebäude bei ihrem Einzug im Herbst 1986, und die Wehmut, die der Gedanke daran ausgelöst hatte, den schönen alten Bau an der Mittelstraße verlassen zu müssen, legte sich schnell.

    Als einziger Schönheitsfehler des Neubaus erwies sich die Tatsache, dass zur Zeit der Planung die flächendeckende Förderstufe in Hessen Gesetz gewesen und der Bau deshalb ohne die Berücksichtigung der Jahrgangsstufen 5 und 6 konzipiert worden war. Schon beim Einzug 1986 war das Gesetz aufgehoben und das Gebäude zu klein. Zwei vier- und zwölfklassige Pavillons nördlich der ELS (letzterer wird mit der Stadtschule am Solgraben geteilt) brachten zumindest vorübergehend Entlastung. Inzwischen ist die Schülerzahl jedoch auf 1250 weiter gewachsen; schon zweimal mussten sieben fünfte Klassen aufgenommen werden, um der gestiegenen Nachfrage nachzukommen. Ein Erweiterungsbau mit 16 Klassen südlich der Schule sollte rechtzeitig zum Jubiläumsjahr fertig sein; ein Konkurs der Baufirma verursachte einen sechsmonatigen Aufschub. Von dem Neubau wird auch die Stadtschule am Solgraben profitieren, die künftig den zwölfklassigen Pavillon alleine nutzen wird. Auch ihre Schülerzahlen sind in die Höhe gegangen, nachdem die Förderstufe an der Stadtschule an der Wilhelmskirche aufgelöst worden ist und deshalb am Solgraben zusätzliche Hauptschulklassen eingerichtet werden müssen.

    2002 erhielt die ELS endlich die bereits beim Einzug in den Neubau 1986 versprochene Außensportanlage. Möglich wurde dies durch eine beispielhafte gemeinsame Aktion von Eltern, Lehrern und Schülern, nachdem sich die Elternschaft verpflichtet hatte, zum 700.000 Euro teuren Sportplatz 100.000 dazuzugeben; die Restsumme teilten sich Stadt und Kreis. Der Schulbeitrag wurde unter reger Beteiligung von Eltern, Lehrern und Schülern in drei Sponsorläufen (jeweils im September 1999, 2000 und 2001) erbracht, die so erfolgreich waren, dass noch 30.000 Euro in weitere Projekte der Schule (Lautsprecheranlage, Digitalkameras) investiert werden konnten.

    Am pädagogischen Konzept der Schule wird seit Jahren gefeilt. Bläserklassen und bilinguale Klassen schärfen ebenso wie der ab der 5. Klasse zu erwerbende Internet-Führerschein und die auch in die Öffentlichkeit wirkenden Arbeitsgemeinschaften Foto und Video das Profil der Schule weiter. An der Entwicklung eines Ganztagsangebots wird intensiv gearbeitet. Es soll ab dem Schuljahr 2006/2007 umgesetzt werden, nachdem die dazu nötige kombinierte Sporthalle/Mensa auf dem Gelände neben der Außensportanlage errichtet sein wird.

    In den einhundert Jahren ihres Bestehens war die Ernst-Ludwig-Schule vielen Wandlungen unterworfen. Dank der Umsicht herausragender Schulleiter, des Einsatzes engagierter Lehrerinnen und Lehrer und der Unterstützung durch Eltern und Freunde hat sie ihr eigenes Profil bewahrt und sich doch stets den Erfordernissen der Zeit angepasst. Zum 100. Geburtstag bleibt der Wunsch, dass die ELS in den nächsten einhundert Jahren ebenso konsequent und erfolgreich auf ihrem Weg weitergehen wird.