01.10.2021 08:41 Alter: 3 yrs

Politiker:innen stehen Rede und Antwort in der Ernst-Ludwig-Schule


Schüler:innen der Ernst-Ludwig-Schule fühlen in einer Podiumsdiskussion Politiker:innen auf den Zahn
Anlässlich der Bundestagswahl am 26. September 2021 fand die von Helmut Walter (Fachbereichsleiter) und Benjamin Pizarro (Lehrkraft) für die Jahrgangsstufen 12 und 13 initiierte und organisierte Podiumsdiskussion am 20.09.2021 in der Mehrzweckhalle am Solgraben statt. Mit dem Ziel, den Schüler:innen eine fundierte Wahlentscheidung zu ermöglichen, waren die jeweiligen Direktwahlkandidat:innen des Wetteraukreises aller aktuell im Bundestag vertretenen Parteien gekommen: Natalie Pawlik – SPD, Michaela Colletti - Bündnis 90/ Die Grünen, Armin Häuser - CDU, Peter Heidt - FDP und Andreas Lichert – AfD. Da der Direktwahlkandidat der Linken, Julian Eder, aus beruflichen Gründen verhindert war, vertrat ihn Gabi Faulhaber.

Äußerst souverän und professionell führten sechs Schüler:innen durch die Veranstaltung.
Um Fairness und gleiche Redeanteile zu gewährleisten, wurde pro Diskussionsrunde je eine Frage an die Politiker:innen gestellt, die es innerhalb einer Minute zu beantworten galt. Im Falle einer Zeitüberschreitung setzten die Moderator:innen einen Buzzer ein. Anknüpfend an die Fragerunden bestand die Möglichkeit, Kontragutscheine einzulösen und so direkt auf den vorherigen Redebeitrag einzugehen.

Zunächst aber begrüßte Schulleiterin Uta Stitterich alle Anwesenden und bat die Kandidat:innen um eine kurze Vorstellungsrunde. Dabei sollten diese auf einen vorher gewählten Würfel mit einem der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN Bezug nehmen.

Eröffnet wurde die Diskussion durch bissige und provozierende Fragen sowie Thesen an alle sechs Kandidierenden. Beispielsweise wurde Natalie Pawlik gefragt, ob die furchtbare Eskalation in Afghanistan trotz der Vorhersagen von Expert:innen neben Heiko Maas auch für sie überraschend gekommen sei. Natalie Pawlik gab an, die Afghanistankatastrophe sei auch für sie unvorhersehbar gewesen. Das Handeln der Politik empfinde sie als einen sehr fatalen Fehler.

Tüchtig eingeheizt wurde aber auch Armin Häuser von der CDU mit der Frage, ob er Hans-Georg Maaßen, welcher für populistische Bemerkungen und seine Aussagen in Verbindung mit den Vorkommnissen in Chemnitz bekannt ist, unterstütze. Von Maaßen und seinen Aussagen distanziere sich Häuser jedoch klar.

Die weitere Diskussion war in die vier Themenblöcke – Junge Menschen und Politik, Menschen in unserer Gesellschaft, Nachhaltigkeit und Drogenpolitik – eingeteilt. Jeder Themenblock wurde mittels einer Blitzlichtfragerunde eingeleitet, auf die die Politprofis mit einem Daumen hoch oder runter antworten sollten.

Besonders hitzige Debatten entstanden unter anderem durch das Thema Mietpreisbremse, bei dem Peter Heidt, der Vertreter der FDP, der Meinung war, dass Wohnungsmangel das Kernproblem darstelle und somit das Bauen neuer Wohnräume essenziell sei, um Wohnungsnot zu bekämpfen.
Gabi Faulhaber von der Linken sah das Bereitstellen von 30% bezahlbaren Wohnraum in Neubaugebieten als Lösung. Eine Konkretisierung führte sie indes nicht an. Sie distanzierte sich deutlich von „profitgierigen Großkonzernen“, welche zu Lasten der Bevölkerung vorgehen, denn Wohnen sei für sie ein Menschenrecht.

Der Vertreter der AfD, Andreas Lichert, löste nun den ersten Kontragutschein ein. Maßnahmen wie ein Mietendeckel und eine Mietpreisbremse seien kontraproduktiv. Er forderte die Schüler:innen dazu auf, sich ausführlich über Sozialismus zu informieren, denn jener gehöre „in den Giftschrank der Weltgeschichte“.

Ein weiterer Streitpunkt war das Thema des strukturellen Rassismus. Ausgehend von Andreas Licherts Äußerung, es gäbe keinen strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft, schalteten sich Michaela Colletti sowie Natalie Pawlik ein und dementierten dies deutlich.

Michaela Colletti, die aufgrund der fehlenden CO2-Einsparungen in dem Grün-Schwarz regierten Baden-Württemberg befragt wurde, ob eine grüne Politik demnach auch so wirkungslos sei, erwiderte darauf, dass das Bauen von Windrädern wegen Zögerlichkeiten seitens der CDU nicht möglich gewesen sei. Dieser Rückstand solle nun jedoch aufgeholt werden.

Die CDU, so Armin Häuser, stehe im Gegensatz zu den Grünen zu ihrer Verantwortung. Er kritisierte die Haltung der Grünen bezüglich der Windräder, da sie ihnen scheinbar in der Vergangenheit nicht wichtig genug gewesen seien. Der Direktwahlkandidat der CDU fragte sich in diesem Zuge: „Was haben die Grünen die letzten zehn Jahre überhaupt gemacht?“.

Ebenfalls umstritten war die Rentenfinanzierung, zu der sich alle anwesenden Parteien äußerten. Zunächst befürwortete Natalie Pawlik das schwedische Modell, in dem ein Teil der Rentenversicherung an den Kapitalmärkten angelegt wird.  Gleichzeitig betonte sie die Abhängigkeit von Lohnentwicklung und Rente, weswegen die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ihrer Ansicht nach notwendig sei.
Peter Heidt sah eine Mindestlohnerhöhung als nicht effektiv an, da sie kleinere oder mittelständische Unternehmen in den Ruin stürze. Das Einzahlen in die Rentenkasse von Freiberuflern könne bloß eine kurzfristige Maßnahme sein, nicht aber eine Lösung für zukünftige Generationen. Das System müsse insgesamt verändert werden, vor allem ein Kapitaldeckungsverfahren hält Peter Heidt für sinnvoll.
Anschließend betonte Gabi Faulhaber die Wichtigkeit des Mindesteinkommens, um Menschen zumindest das Nötigste im Leben gewährleisten zu können.

Infolgedessen warf Andreas Lichert ein, das Problem liege in der Demografie, denn diese sei in Deutschland „desaströs“. Zudem stimmte er der FDP in ihren genannten Argumenten zu.
Michaela Colletti äußerte sich bezüglich der Rentenfinanzierung folgendermaßen: Alle Erwerbstätigen sollten in die Rentenkasse einzahlen, sodass ein weiteres Absinken des Rentenniveaus vermieden werde. Sie empfinde es als „beschämend“, dass sich die Jugend von heute jetzt schon über die Rente von morgen sorgen müsse. Der FDP-Kandidat appellierte an den Staat, in der Ausgabenpolitik disziplinierter zu sein, denn Einnahmen gebe es genug. Natalie Pawlik forderte außerdem, mehr Berufstätige sollten durch ein reformiertes Steuerkonzept Steuern für die Allgemeinheit zahlen.
Abgeschlossen wurde die teilweise recht hitzig verlaufende Podiumsdiskussion durch 30-sekündige Statements aller Direktwahlkandidat:innen. Trotz der vielen Meinungsverschiedenheiten waren sich die Politiker:innen darin einig, die Freiheit zu nutzen und am 26. September wählen zu gehen, denn Politik sei viel zu wichtig, um sie nur den Politiker:innen zu überlassen. Gleichwohl lobten sie die Moderierenden, das der Veranstaltung zugrundeliegende Konzept und die Schülerschaft der Ernst-Ludwig-Schule für diese rundum gelungene und erfolgreiche Podiumsdiskussion.

Ein herzliches Dankeschön geht an alle Beteiligten, ohne die diese Veranstaltung nicht zustande gekommen wäre. Dieses Projekt wurde gefördert vom Wetteraukreis aus dem Förderprogramm „Demokratie Leben!“ des Bundesfamilienministeriums, kofinanziert vom Land Hessen.

Mia Nußbaum, Julia Stüdemann und Mirela Sejfic