Großer Abschied in kleiner Runde
Brigitte Jung-Hengst, seit nun fast 30 Jahren an der Ernst-Ludwig-Schule Bad Nauheim tätig, wurde am 30.06.2020 in den Ruhestand versetzt.
Dies geschah aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie notgedrungen in einem sehr kleinen Kreis. Der in solchen Fällen übliche feierliche und große Rahmen – der fulminante Abschied – mit zahlreichen geladenen Gästen, Honoratioren, Vertretern aus Schüler- und Elternschaft, mehreren lobenden Rednern und entspanntem Beisammensein musste unter den gegebenen Umständen entfallen. Ebenso fehlte die großartige musikalische Umrahmung durch ein hervorragendes Orchester und einen stimmgewaltigen Chor, was bei einer Schule mit musikalischem Schwerpunkt durchaus zu erwarten gewesen wäre, besonders auch deswegen, weil dieser Schwerpunkt über die Jahre von Jung-Hengst beständig in allen Belangen unterstützt und gefördert wurde. So war nur ein kleiner Kreis zur Versetzung in den Ruhestand zusammengekommen. Neben der Leiterin des Staatlichen Schulamtes für den Hochtaunuskreis und den Wetteraukreis, Dr. Rosemarie zur Heiden, waren die erweiterte Schulleitung sowie der Personalrat und die beiden Sekretärinnen gekommen, um mit einer kleinen, aber würdigen Feierstunde das Ende eines langen Arbeitslebens zu gestalten.
Musiklehrer Andreas Ziegler führte musikalisch in die Feier ein. Er begann mit der von Schulleiterin Jung-Hengst geliebten „Bohemian Rhapsody“ von Queen solistisch live am Klavier bis sich auf Knopfdruck im Schlussakkord des einleitenden langsamen Teiles die Stimme von Julia Beuthner mit „Yesterday“ dazugesellte. Ziegler war es gelungen, sieben Kolleginnen aller Fächer, außerdem einzelne Sängerinnen und Sänger aus den verschiedenen Chören sowie den Musikkollegen Simon Kümmling am Violoncello zu aktivieren, um virtuell einen vielstimmigen Chor mit Instrumentalbegleitung erklingen zu lassen. „Anyway the wind blows“ als Nachspiel am Klavier rundete den vielsagenden und ergreifenden musikalischen Einstieg ab.
In ihrer Funktion als Leiterin des Schulamtes ließ es sich Dr. Rosemarie zur Heiden nicht nehmen, Brigitte Jung-Hengst persönlich die Urkunde zu überreichen und in den Ruhestand zu versetzen. Mit sehr persönlichen Worten würdigte sie Brigitte Jung-Hengsts langjähriges Wirken an der Ernst-Ludwig-Schule und betonte die auf allen Ebenen durchweg konstruktive sowie harmonische Zusammenarbeit. Dabei hob sie einige Daten aus Jung-Hengsts Lebenslauf und aus den dienstlichen Stationen hervor.
Ihr Lebenslauf sei symptomatisch für eine ganze Generation: Nach dem Studium der Fächer Mathematik und Physik an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und dem Referendariat an der Otto-Hahn-Schule in Hanau folgte eine Phase, in der eine sofortige Einstellung nicht zu erwarten gewesen sei, sodass der Start in das Berufsleben zunächst holprig geriet. Als dann endlich im August 1990 die Einstellung am Georg-Büchner-Gymnasium in Bad Vilbel erfolgte, fiel diese mit privaten Veränderungen zusammen, denn im September wurde ihre Tochter geboren.
Mit der Versetzung an die Ernst-Ludwig-Schule im August 1991 sei es es dann aber in Siebenmeilenstiefeln mit der Karriere vorangegangen: Bereits nach nur sechs Jahren wurde Jung-Hengst mit der Wahrnehmung der Aufgaben einer Studiendirektorin als ständige Vertreterin des Leiters der ELS beauftragt und 2008 erfolgte die Ernennung zur Schulleiterin. Launig und humorvoll schilderte Dr. zur Heiden die erste Begegnung mit Brigitte Jung-Hengst, die genau in diese Phase fiel. Seitdem habe man sich nicht aus den Augen verloren und zahlreiche Begegnungen sowie Gespräche hätten deutlich werden lassen, was so schätzenswert an der Zusammenarbeit gewesen sei: Verlässlichkeit und Zielstrebigkeit, die Bereitschaft, Probleme anzugehen und möglichst eigenständig konstruktiv vor Ort zu lösen. Zur Heiden lobte Brigitte Jung-Hengsts Fähigkeit und Bereitschaft, sich mit anderen zu verständigen und dabei unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen, um zu einer Verständigung zu kommen. Zwischenzeitlich durch eine schwere Erkrankung kurz gebremst habe sie die Herausforderungen mit neuem Schwung hervorragend gemeistert.
Die Vorsitzende des Personalrats, Britta-Karin Witzmann, ergriff stellvertretend für das gesamte Kollegium das Wort. Sie wolle keine lange Rede halten, denn: „Kleine Feier – kleine Ansprache!“ Eine große Ansprache werde zu gegebener Zeit folgen, denn die große Verabschiedungsfeier soll auf jeden Fall nachgeholt werden, wie Jung-Hengst im Vorfeld bereits angekündigt hatte. Witzmann betonte, wie gerne alle Kolleginnen und Kollegen von der scheidenden Schulleiterin im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung Abschied genommen hätten. Um zumindest eine Erinnerung an die Kolleginnen und Kollegen der bald ehemaligen Schulleiterin mitzugeben, hatte Kunstlehrer Heinz Brandt eine wunderbare Fotocollage erstellt. Die Lehrkräfte hatten mit einem Sektglas in der Hand symbolisch auf Brigitte Jung-Hengsts Wohl „angestoßen“ und dabei ein Selfie aufgenommen. Daneben gab es als Überraschung ein Rezeptbuch mit Lieblingsrezepten der Kolleginnen und Kollegen. Brigitte Jung-Hengst war die Freude darüber ins Gesicht geschrieben, war es gerade ihr Wunsch, eine solche Sammlung zu erhalten – werden doch regelmäßige köstliche Büffets im Lehrerzimmer ausgerichtet und die Rezepte dieser Köstlichkeiten hatte sie schon immer mal haben wollen. Ergänzt waren die von Stephan Schröder gestalteten Seiten mit sehr persönlichen guten Wünschen für den Ruhestand. Außerdem überreichte Britta-Karin Witzmann einen Gutschein für ein Gartengestaltungsseminar, denn eines der ersten Projekte für die Zeit „nach der Schule“ werde die Gestaltung ihres Gartens sein; das hatte Brigitte Jung-Hengst im Vorfeld angekündigt. Auch Witzmann schilderte ähnlich launig wie Frau Dr. zur Heiden ihre erste Begegnung mit der damals noch zukünftigen Schulleiterin.
Für die erweiterte Schulleitung zitierte Fachbereichsleiterin Eva Pfeiffer-Heidecke aus dem bekannten Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse: „Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe/ Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,/ Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern/ In andre, neue Bindungen zu geben.“ Die Schulleitungsrunde wisse, dass Brigitte Jung-Hengst bereit zum Abschied sei, doch sie verlasse damit auch „ihre“ Schulleitungsrunde, die ihre Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit, ihre klugen Ratschläge, ihre unvergleichliche Besonnenheit und Ruhe vermisse werde, aber auch ihren verschmitzten Humor. Ruhestand heiße nicht Stillstand und so wünsche die Schulleitungsrunde gemeinsam mit Frau Jakob und Frau Wald aus dem Sekretariat, dass im Neubeginn die Chance gesehen werde, den Hobbys nun verstärkt nachzugehen und die Kreativität zur Entfaltung bringen zu können. „Möge ein wundervoller Zauber über deinem Ruhestand liegen!“, betonte Eva Pfeiffer-Heidecke abschließend.
Annette Hebbeker-Meyer, ehemalige Fachbereichsleiterin FB II, trug danach gekonnt ein selbstverfasstes Gedicht vor, in dem sie die vielfältigen Tätigkeiten einer Schulleiterin Revue passieren ließ und all diejenigen erwähnte, die in irgendeiner Form in diesen speziellen Tagesablauf eingebunden sind. Brigitte Jung-Hengst konnte außerdem während der Dauer der Veranstaltung hin und wieder einen Blick auf die im Hintergrund laufende Präsentation mit Impressionen aus ihrer langen Dienstzeit werfen.
Sie dankte gerührt allen Anwesenden und schien nicht unglücklich, nun keine lange Rede halten zu müssen, wie es bei einer großen Feier jetzt geboten gewesen wäre. Mit einem kleinen Imbiss – angepasst an die Anforderungen der Zeit, klang die Feierstunde aus.
Eva Pfeiffer-Heidecke
In der Wetterauer Zeitung erschien ein Interview von Hedwig Rohde mit der scheidenden Schulleiterin.