06.03.2019 13:53 Alter: 5 yrs
Kategorie: fb1, Deutsch

Ganz schön bedrohlich: Eine Forke - Eine Wolke – Ein Koffer.


Drei Preisträger des 15. OVAG Jugendliteraturpreises trugen im Rahmen der Lesetournee am 27. Februar ihre preisgekrönten Texte an der Ernst-Ludwig-Schule vor. Circa 150 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 verfolgten aufmerksam bedrohliche Geschichten, in denen eine Forke, eine Wolke und ein Koffer im Zentrum verhängnisvoller Ereignisse standen.


Eine Forke. Elke Dreis (Jahrgang 2001) aus der Kurt-Schumacher-Schule in Karben erzählte die Geschichte von Abeline, die in einer Vollmondnacht, bewaffnet mit einer Forke, deren Zinken wie Teufelshörner in die Höhe weisen, einen unheimlichen Rachefeldzug unternimmt. Bereits nach wenigen Sätzen war klar, dass das garstige Geschöpf mit einem Bewohner des idyllischen Warftendorfes mehr als nur ein Hühnchen zu rupfen hat. Die Lesung mit dieser Geschichte zu beginnen, war sicherlich eine gute Wahl, denn die Spuk- und Horrorgeschichte zog die Anwesenden sofort in ihren Bann. Die unüberhörbar von Theodor Storms „Schimmelreiter“ inspirierte Geschichte jonglierte sprachlich gekonnt mit Versatzstücken der Schwarzen Romantik und neben der wunderbaren Teufelsforke konnten sich die Zuhörer an vielen weiteren schaurig-schönen Sprachbildern erfreuen. Obgleich es vorhersehbar war, dass die Wiedergängerin mit dem gruseligen Gartengerät nichts Gutes im Sinn hat, fesselte die Geschichte bis zum letzten Satz.


Eine Wolke. 1986, ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, verstörte Gudrun Pausewangs Ökozid-Jugendroman „Die Wolke“ eine ganze Generation. 2019 ist sie wieder da! Die Wolke. In der Geschichte von Anna Mühlenbruch aus Münzenberg (Jahrgang 2003) ist das Wetterphänomen „Wolken“ allerdings nicht auf einen Reaktorunfall, sondern auf den Klimawandel zurückzuführen. Die Folgen sind nicht minder bedrohlich, allerdings schwerer vermittelbar als in Zeiten der Angst vor frei flottierender Radioaktivität: Ein Unfall in einem Reaktor ist eine klare Sache. Beim Klimawandel hängen alle möglichen Ursachen irgendwie zusammen: Abgase, furzende Kühe, schmelzende Gletscher. Wer kennt sich da noch aus? Eine Parallele bleibt jedoch: Die Angst vor der unumkehrbaren ökologischen Zerstörung. In der Geschichte von Anna Mühlenbach haben die Erwachsenen, ob Eltern oder Pfarrer, als Halt ausgedient. Der Apokalypse treten sie beherzt mit Beruhigungsfloskeln entgegen. („Alleine kriegen wir das vielleicht nicht hin. Aber wenn wir gemeinsam daran glauben, dass alles gut wird, dann können wir es schaffen.“) Die verlässlichere Prognose liefern hier wohl eher die Krähen, die am Horizont unheilverkündend ihre Kreise ziehen.


Ein Koffer. Rund um einen Koffer, der niemandem zu gehören scheint, und einem bettelnden Mann in einer U-Bahnstation webt Nele Klatte von der Ernst-Ludwig-Schule (Jahrgang 2000) kunstvoll eine Geschichte aus mehreren Perspektiven. Nichts verbindet die Protagonisten miteinander - außer, dass ihre Gedanken für einen kurzen Moment am gleichen Ort und zur gleichen Zeit um einen Obdachlosen und einen verlassenen Koffer kreisen. „Unter der Erde schneit es nicht“ lautet der Titel dieser knappen Geschichte, in der es der Autorin gelingt, eine alltägliche Situation in ein beklemmendes Bedrohungsszenario zu verwandeln. Wird sich der Zufluchtsort für den Obdachlosen als eine Falle erweisen? Löst eine Kofferbombe ein Inferno aus? Oder ist alles falscher Alarm und die Angst nur ein Produkt von Hysterie und klaustrophobischen Beklemmungen?

Thomas Hergesell, zusammen mit Christian Liebchen für die Organisation und Durchführung verantwortlich, dankt allen Beteiligten. Im Hintergrund: Andreas Matlé (OVAG).

Die Geschichten sämtlicher Preisträger des OVAG Wettbewerbs 2018 sind in einem Sammelband herausgegeben, den sich Interessierte in der ELS-Bibliothek ausleihen können.

M.C. Schachl