23.11.2017 17:28 Alter: 6 yrs
Kategorie: fb3, physik

Physik-LK zu Gast in Genf


Hauptgrund für die Wahl des Reiseziels war die Möglichkeit, CERN (Conseil Europeen de la Recherche Nuclaire, Europäisches Kernforschungszentrum) zu besuchen. Der Tag des CERN-Besuches verlief dann auch höchst abwechslungsreich. Zunächst erhielt unser Physikkurs eine einstündige Einführung in die Themenbereiche, die am CERN bearbeitet werden. Diese, so erfuhren wir, beinhalten neben der Physik der Elementarteilchen auch Grundlagen und Anwendungen der Informationstechnik. Seinerzeit wurden am CERN die technischen Grundlagen entwickelt, auf denen bis heute die Funktionsweise des World Wide Web basiert. Die große Bedeutung dieser Technologie für die CERN-Wissenschaftler ergibt sich daraus, dass im Rahmen der Teilchenforschung extrem große Datenmengen anfallen. Diese könnten ohne weltweite Vernetzung von Computern gar nicht schnell genug an kooperierende Wissenschaftler verteilt und verarbeitet werden. Darüber hinaus kamen auch einige spannende und erstaunliche Fakten aus der Astrophysik zur Sprache. Astronomische Beobachtungen liefern nämlich häufig Daten, die auch für die Teilchenforschung interessant sind. Das liegt unter anderem daran, dass hierbei Spuren von Prozessen zu uns gelangen, die auf unserer Erde im Labor nicht oder kaum untersucht werden können. Ein „naheliegendes“ Beispiel ist die Kernfusion, die in unserer Sonne und vielen Sternen stattfindet.

Als nächster Programmpunkt erwartete uns der älteste Teilchenbeschleuniger des CERN, ein Synchrozyklotron, erbaut in den fünfziger Jahren. Hier wurden nicht nur Aufbau und Funktionsweise dieses Beschleunigers erläutert, sondern darüber hinaus auch einiges aus der Geschichte des CERN berichtet. Dazu gehörte unter anderem, dass CERN auf Anregung namhafter Wissenschaftler schon bald nach dem Ende des 2. Weltkrieges gegründet wurde. Anlass dafür war der Wunsch vieler Wissenschaftler nach internationaler Zusammenarbeit und dauerhaftem Frieden. Aus Angst vor Kernwaffen sollte die einschlägige Forschung nicht länger als Geheimwissenschaft unter der Kontrolle einzelner Regierungen behandelt werden. In den damals entstandenen und von den beteiligten Staaten unterzeichneten Statuten des CERN ist der Grundsatz enthalten, dass alle hier erzielten Forschungsergebnisse veröffentlicht werden müssen.

Die aktuell eingesetzte Technik bekamen wir dann zunächst im Kontrollraum von ATLAS, einem der beiden großen Teilchendetektoren am LHC (Large Hadron Collider) vorgeführt. Hier und in einer Multimediashow wurde die Technik der Beschleunigeranlage und der Teilchendetektoren näher erläutert. Beschleuniger und Detektoren befinden sich in tief in den felsigen Boden getriebenen Stollen. Diese Anlagen konnten wir leider nicht besichtigen, da sie während des laufenden Betriebes aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich sind. Üblicherweise wird der Betrieb nur einmal im Jahr für einige Zeit unterbrochen, um Reparatur- und Wartungsarbeiten durchzuführen. Allerdings muss der LHC durchschnittlich einmal pro Tag heruntergefahren und neu gestartet werden, da der erzeugte Teilchenstrahl immer wieder instabil und dadurch unbrauchbar wird.

Nach einem Mittagessen in der Kantine besichtigten wir den Globe, ein kugelförmiges Gebäude, in dem sich eine multimediale Ausstellung über Elementarteilchen und grundlegende physikalische Theorien (z.B. zusätzliche Dimensionen, Multiversen) befindet.

Im weiteren Verlauf des Nachmittags besuchten wir noch „Microcosm“, eine umfangreiche Ausstellung, die anhand ausgebauter Anlagenteile Aufbau und Funktionsweise der Beschleunigeranlagen und Detektoren sowie der zugehörigen Computeranlagen anschaulich macht.

Einen weiteren Tag verbrachten wir in den Gebäuden der UNO, die ihr zweites Hauptquartier in Genf hat. Moderne und historische Gebäude, letztere aus der Zeit des Völkerbundes. konnten wir besichtigen. Die freundliche Fremdenführerin vermittelte uns weiterhin vieles über die Geschichte dieser internationalen Einrichtung und auch manches aus der aktuellen Arbeit. Einige Zeit widmeten wir auch dem Museum für Wissenschaftsgeschichte, in dem viele historische Messapparate ausgestellt sind. Dazu zählt auch eine Elektronenstrahlröhre mit ziemlich „selbstgebasteltem Erscheinungsbild“. Dieses Gerät nutzte zu Beginn des 20 Jahrhunderts ein Physiker der Universität Genf, um nach Erscheinen der Einstein’schen Relativitätstheorie die Massenzunahme beschleunigter Elektronen zu untersuchen.
Ein Besuch der Genfer Altstadt und der archäologischen Grabungen unter dem Genfer Dom rundeten das Programm dieser Kursfahrtwoche ab.